Die Bilder enthüllen damit einen Kontrapunkt zur wachsenden zwischenmenschlichen Distanz in unserer Gesellschaft durch zunehmende Präsenz im virtuell vermittelten Raum, weniger bewusst erlebte soziale und körperliche Nähe (durch Masken in den Gesichtern beispielsweise und Abstandsgebote). Sie machen darauf aufmerksam, dass wir es verlernen, unserem Gegenüber nahe und in Beziehung zu treten. Ermuntern uns, Ängste zu überwinden, uns durch emotionalen Austausch zerbrechlich, angreifbar und berührt zu fühlen. ‚Minutengesichter‘ sind erlebte und erlebbare Begegnungen. Gezeigt wurden Zeichnungen, Handsiebdrucke und Fotografien. Eine Verantwortung meines Projekts ist es dabei, unserer Welt nicht noch mehr überflüssige Gegenstände zuzufügen. So wurden einige Bilder in limitierter Auflage mittels Sieb auf mühevoll eigenhändig recycelten Tetrapack-Innenseiten gedruckt und zu größeren Installationen zusammengesetzt. Siebdruck funktioniert als Verfahren mit kommerziellen und industriellen Wurzeln und starker haptischer Qualität in unserer zunehmend virtuellen, digitalen Welt. Auf methodischer Ebene werden sowohl die Siebdrucktechnik selbst als auch der physische Aspekt einer Wiederverwertung benutzter Oberflächen wie Milchkartons hierbei kontrapunktisch gegen die Abwertung des wahrhaftigen Bildes verwendet, um einer tief empfundenen Isolation zu entgehen (vergleiche JOHN BERGER „Gegen die Abwertung der Welt“ und JOSEPH TRIEST (2021) „Gesichtslosigkeit der Seuche“).
‚Gesicht zeigen‘ – blind gezeichnet und doch emotional sehend: ACHTSAMER SPIEGEL – COURAGE – NAHE BERÜHRUNG, Ausstellung in der Deutschen Akademie für Psychoanalyse, Kantstraße 120, Berlin 10-11/2022










